Über linkes Wohlbefinden
Lieber Verein, liebe Fans,
der Verein FC St. Pauli spielt das Lied Herz von St. Pauli nicht mehr. Das finde ich nicht nur bedauerlich, sondern
grundfalsch. Was kann das Lied dafür, dass sein Texter Nationalsozialist war? Es ist ein Heimatlied ohne jede Tümelei. Josef Ollig schrieb einen guten Text, in dem es nicht mal ansatzweise einen
Zusammenhang zum Nationalsozialismus gibt. Auch ein Nazi findet mal ein Korn.
Die Begründung des Vereins: viele Mitglieder und Fans haben deutlich gemacht, dass sie sich mit dem Lied nicht mehr wohlfühlen. Mit dem Wohlfühlen ist das so eine Sache. Zum Beispiel,
wenn Zarah Leander singt: Ich weiß, es wird noch mal ein Wunder geschehen. Dieses Wunder waren die Vergeltungs-Raketen, die England zerstören sollten. Es ist ein gut gemachtes
Lied, nicht einfach ein Propaganda-Stück. Ich höre es mit gemischten Gefühlen.
Der FC St. Pauli war nicht immer ein linker
Verein. Während des Dritten Reichs kollaborierte er mit den Nationalsozialisten. Das zeigte die Ausstellung Der FC St. Pauli im Nationalsozialismus, die am 16. Januar 2020 in der St.
Pauli Kirche eröffnet wurde. Wenn ich mich recht entsinne, durfte sie in den Räumen des Vereins nicht gezeigt werden. Damals ging es um die Frage, was aus dem Verein geworden wäre, wenn er sich
den Nazis verweigert hätte.
Ewald Lienen, damals im Vorstand des Vereins, hielt die Eröffnungsrede. Ihm gelang es, kein Wort über diese Frage zu verlieren. Er erzählte lieber von seinem Vater, der zerstört aus Russland
heimkehrte. Seine Botschaft: Krieg produziert Opfer. Den Zuhörern standen die Tränen in den Augen. Emotion statt Aufklärung.
Der FC St. Pauli ein Profiteur des Nationalsozialismus. Wer das weiß, kann sich in diesem Verein nicht mehr wohlfühlen. Man muss ihn deshalb nicht auflösen: Man kann nichts wieder gut machen.
Aber man könnte die Erinnerung an diese ungute Geschichte wach halten , nichts unter den Teppich kehren und antifaschistisch handeln.
Das reine Herz des FC St. Pauli ist eine Illusion. Davon will der Verein, der auch von der Vermarktung linker Emotionen lebt, nichts wissen. Stattdessen streicht man ein Lied, weil es das
Wohlbefinden stört. Wieso beschleicht mich bei der Inszenierung des Vereins als Hort des Guten immer ein zwiespältiges Gefühl?
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Moes
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