Über Einfalt für Vielfalt
Was stört mich an den Hunderttausenden, die den Wunsch nach Vielfalt und Demokratie auf die Straße tragen? Mich stört, dass sich die Mehrheit als verfolgte Minderheit inszeniert. Mich stört der tumbe Hass, mit der die Demonstranten lügen: „Ganz Hamburg hasst die AfD.“ Das ist inhaltlich falsch, sonst entfiele der Anlass für die Demonstration. Wer das ruft, vergiftet die Atmosphäre. Mich stört der undemokratische Furor, mit dem sich diese Menschen im Recht fühlen.
Jetzt las ich einen Text, der wie ein Fake daherkommt, aber allem Anschein nach ernstgemeint ist. In ganzseitigen Inseraten erklären Unternehmen und Universitäten unter der Überschrift: „#Zusammenland hält die Wahrheit aus“:
„Misstrauen und Spaltung geschehen, wo Menschen nicht mehr unterscheiden können zwischen Fakten und Fake News. Wo sie sich nicht mehr sicher sind, ob etwas frei erfunden wurde – oder den Tatsachen entspricht. Wir wollen in einem Land leben, in dem wir zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden wissen. In einem Land, in dem wir miteinander streiten und andere Meinungen aushalten. In einem Land, in dem wir uns an demokratische Spielregeln halten. Die Herausforderungen sind groß. Aber unser Zusammenhalt ist es auch. Und wir tun alles dafür, dass es so bleibt. Wir alle haben die Wahl. Jede und jeder einzelne. Wir können uns entscheiden: für Fakten statt Fake News. Für Vielfalt statt Einfalt. Für ein starkes #Zusammenland."
Ich so: häh?
Wir, das sind große Unternehmen wie McKinsey, Mercedes Benz, REWE und RWE, Siemens. Auch ein paar Hochschulen sind dabei. Der Text geht auf eine Initiative von Printmedien zurück, unter anderem DIE ZEIT und die Süddeutsche Zeitung.
Dieser Text raunt. Da braut sich was zusammen. Scheinbar will er aufklären. Aber worüber? Was geht in den Köpfen der Führungskräfte vor sich, die sich mit diesem Gedankenbrei an die Öffentlichkeit wagen?
So kommunizieren Sekten. Sie sprechen in Rätseln. Machen Andeutungen, suggerieren Unheimliches. Alle, die nicht dieser Sekte angehören, bleiben ratlos außen vor.
Woher kommt die Besessenheit, mit der die Demonstranten gegen Rechts und die Unterzeichner dieser Anzeige vor Fake News warnen? Das Land der Verheißung, das „Zusammenland“, von dem die Sektierer träumen, existiert: Es nennt sich Bundesrepublik Deutschland. Dort ist es (noch) normal, miteinander zu streiten und andere Meinungen auszuhalten.
„Die Herausforderungen sind groß. Aber unser Zusammenhalt ist es auch. Und wir tun alles dafür, dass es so bleibt.“ Das klingt wie eine Kampfansage. Ich fürchte nur, wenn diejenigen, die hier in aller Einfalt Vielfalt fordern, sich durchsetzen, wäre dies das Ende der Demokratie.
Ja, es stimmt, Wir sind umgeben von Fake-News. Die weidefrische Bio-Milch entpuppt sich als homogenisierte Plörre. Der Strom für die Elektro-Mobilität kommt nicht einfach so sauber aus der Steckdose. Der Klimaschutz, wie ihn die Grünen verstehen, dient vor allem dem Handel mit Verschmutzungsrechten und hat noch keine Art vor dem Aussterben bewahrt. Nachhaltigkeit ist eine PR-Floskel der Greenwash-Mafia. Das ist eine Wahrheit, für die sich die Unterzeichner dieses Textes nicht interessieren.
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