Ist Nationalismus harmlos?

Lesen Sie das Tagebuch von Sergiy Maldukov im Zeitmagazin vom 27. 6. 2024 über ein ukrainisches Killerkommando. Haben Sie danach auch das Bedürfnis, die nationale Schminke aus dem Gesicht Ihres Kindes zu wischen?

 

Einmal Kommunist, immer dumm

 

Offener Brief an Harald Martenstein, betrifft Kolumne vom 20. 6. 2024 im Zeitmagazin

 

Lieber Herr Martenstein,

 

haben Sie sich schon für den Volkssturm gemeldet? Nein? Das habe ich mir gedacht. Schon vor Monaten widerriefen Sie in Ihrer Kolumne ihre Kriegsdienstverweigerung nach Artikel 4,3 GG. Das war wegen Ihres Alters gefahrlos. Sie sind keiner, der Soldat wird.

 

Anders als Sie behaupten, entscheidet man sich nicht, Soldat zu werden. Man wird dazu gezwungen. Wer ungehorsam ist und sich der Einberufung widersetzt, geht in den Knast. Das ist hierzulande nicht wesentlich anders als in Russland oder in der Ukraine. Wer Macht oder Geld hat, geht nicht zum Militär. Dagegen ist wenig zu sagen, wenn die Betreffenden nicht andere zum Kriegsdienst überreden. So wie Sie das tun.

 

Sie haben schon als junger Kriegsdienstverweigerer nicht verstanden, worum es bei diesem Recht ging. Damals waren Sie Kommunist. Sie wollten die BRD nicht verteidigen. Sie schwärmten für die DDR. Denn dort, so wollten Sie und Ihresgleichen uns weismachen, herrschte der Sozialismus. Sie sind trotzdem nicht „nach Drüben“ gegangen. In der BRD war es schöner. Vermutlich ist Ihre Erinnerung an diese Zeit schambesetzt.

 

Warum rolle ich das Ganze auf? Weil ihre Lügen von damals Sie immer noch daran hindern, zu begreifen, was Pazifismus bedeutet. Die maßgeblich von der DDR finanzierten Organisationen zur Beratung von Kriegsdienstverweigerern behaupteten damals, ein Kriegsdienstverweigerer dürfe sich nicht gewaltsam gegen Angriffe verteidigen.

 

Sie erinnern sich an die Frage der staatlichen Gewissensprüfer: „Stellen Sie sich vor, Sie gehen mit Ihrer Freundin durch einen Park und werden überfallen. Was tun Sie?“ Wir wurden gewarnt. Auf diese Frage dürfe man nicht antworten. Sie dürfe gar nicht gestellt werden. Und so weiter und so fort. Das ist Schnee von gestern.

 

Es war aber die entscheidende Frage. Als Kriegsdienstverweigerer lehnte ich nicht das Recht auf Notwehr ab. Natürlich hätte ich meine Freundin zur Not mit der Waffe verteidigt.

 

Staaten handeln nicht in Notwehr. Sie unterhalten Armeen, um ihre wirtschaftlichen Interessen abzusichern. Sie rüsten auf, scheinbar grenzenlos. NATO, USA, China und Russland setzen auf Krieg.

 

Dem widersetze ich mich. Ich wollte nicht auf Befehl töten. Ich wollte kein Killer sein. Für mich gibt es kenen Grund diesen Entschluss zu widerrufen. Auch an der ukrainischen Front zerfleischen sich Soldaten im Kampf Mann gegen Mann. Mit dem Bajonett. Abhauen geht nicht. Töten oder Knast, eine wenig heroische Alternative. Anders als Sie behaupten, ist das Problem für freiheitsliebende Menschen nicht so sehr „das Sterben im Krieg“, sondern das Töten im Krieg.

 

Sie haben Recht: Gegen Hitler half zuletzt nur Krieg. Zuvor ließen die Nachbarstaaten den Aufbau der „Wehrmacht“ zu. Sie schwiegen, als sich Hitler die Sudeten und Österreich unter den Nagel riss. Man ließ Hitler machen. Irgendwann war es zu spät.

 

Was wäre gewesen, wenn die „arischen“ Deutschen ihre „jüdischen“ Nachbarn 1933 einfach weiter gegrüßt hätten? Wenn sie weiterhin bei ihrem „jüdischen“ Händler gekauft hätten? Wenn sie sich menschlich verhalten hätten? So wie sie es taten, als sie die Ermordung „geisteskranker“ Menschen verhinderten.

 

In einem sind sich Militärs und Nationalisten aller Couleur einig: Pazifisten seien Idioten. Dieser Tradition aus Jugendtagen bleiben Sie treu. „Pazifist zu sein bedeutet letzten Endes, dass Menschen sich alles gefallen lassen müssen, sofern die anderen nur brutal genug sind.“ Sie haben nichts verlernt. Das beweist das Ende Ihrer krausen Dialektik:„Auch deshalb wird es immer Kriege geben: weil Menschen irgendwann anfangen Nein zu sagen und sich zu wehren.“ „Nein sagen“, damit meinen Sie: Ja sagen zum Krieg. Das Leben für das Vaterland opfern. Was für eine verlogene Scheiße.

 

Hätten Sie Ihrer Bekannten aus der Ukraine angeboten, ihren Mann vor den Häschern der ukrainischen Armee zu verstecken:  das hätte die Welt nicht verändert. Aber es hätte sie ein bisschen besser gemacht.

 

Viele Grüße

 

Stefan Moes

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